Konflikteskalation

Geschrieben von Peter Klar

Beschreibung

Bei vielen Menschen besteht ein Konflikt, wenn sich zwei Menschen lauthals anschreien. Keine Frage in dieser Situation besteht ein Konflikt, doch es gibt da noch die kleinen Konflikte – und die ganz großen. Einen Konflikt auf eine heftige Auseinandersetzung zu reduzieren ist gefährlich, weil du so Konflikte zu spät erkennst und benennst. Konflikte führen im Frühstadium noch zu konstruktiven Ergebnissen, später geht es nur noch um Schadensbegrenzung.

Das Modell der Konfliktstufen von Friedrich Glasl hilft dir zu erkennen, wie weit ein Konflikt fortgeschritten ist.

Das Modell besteht aus 3 Phasen, die jeweils in 3 Schritte unterteilt sind. Wie bei einer Treppe geht es immer eine Stufe hinab. Oft wird die Treppe nach oben dargestellt, jedoch wolle Glasl zeigen, dass es einfacher ist den Konflikt immer weiter zu eskalieren und es eine Anstrengung bedarf (aufwärts) um den Konflikt mit positiver Energie zu lösen.

Phase 1: win-win

In der ersten Phase ist noch alles offen und es besteht die Möglichkeit, dass die Konfliktparteien den Konflikt ohne fremde Hilfe lösen und dabei gestärkt daraus hervorgehen.

Stufe 1: Verhärtung

Es beginnt ganz harmlos in Alltäglichen Situationen, z.B. das wiederholte Aufeinanderprallen von Meinungen. Wenn sich zwei Personen aufeinander “einschießen”, also öfters verschiedene Meinungen äußern, dann könnte das tiefere Ursachen haben.

Stufe 2: Debatte, Polemik

Beide Personen wollen mit ihren Argumenten überzeugen. Die Debatte wird härter geführt, die Meinung des anderen wird ins Extreme gezogen. Es bilden sich Pole heraus: schwarz und weiß.

Stufe 3: Taten statt Worte

In dieser Stufe bleibt es nicht mehr bei verbalen Auseinandersetzungen. Durch kleine Taten wird der Druck auf den Gegner erhöht: nicht zu Wort kommen lassen, ignorieren, Gesprächsabbruch, ausschließen. Am Ende dieser Stufe geht das Mitgefühl für den anderen verloren.

Phase 2: Win-Lose

Ab dieser Phase geht es nicht mehr um die Sache, nun besteht der Ehrgeiz den Kampf für sich zu gewinnen und den anderen zum Verlierer zu machen. Da das Mitgefühl inzwischen fehlt, brauchen die Konfliktpartner eine Dritte Person, die bei der Lösung des Konflikts hilft.

Stufe 4: Koalitionen bilden

Die Konfliktpartner sehen sich im Recht und wollen nicht mehr eine gute Lösung erreichen, sondern den Gegner bezwingen. Dafür wird der Kreis ausgeweitet, weitere Personen werden eingebunden und durch einseitige Informationen (bis hin zum denunzieren) auf die eigene Seite gezogen.

Stufe 5: Gesichtsverlust

In dieser Stufe geht es hauptsächlich darum, dem Gegner durch alle möglichen Geschichten und Unterstellungen in seiner Glaubwürdigkeit zu treffen. Es geht darum die andere Person in ihrer Identität zu treffen. Damit wird der letzte Rest von Vertrauen zerstört.

Stufe 6: Drohstrategien

Durch das Aussprechen von Drohungen wird nun Macht demonstriert (“sonst kannst du hier gleich deine Sachen packen”). Die Drohung zeigt der anderen Person das Schadenspotential an über das man verfügt. Besonders wirksam sind Drohungen, wenn diese mit Beweisen der Macht untermauert werden (Telefonummer vom Sicherheitsdienst). Drohungen erhöhen den potentiellen Preis, den man bei der Fortführung des Konflikts bezahlen muss.

Phase 3: Lose-Lose

In der letzten Phase geht es nicht mal mehr ums Gewinnen. Das Verlieren wird billigend in Kauf genommen, wenn man dadurch dem Anderen einen befriedigenden Schaden zufügen kann. Mit Reden wird man kaum noch weiter kommen. Um den Konflikt zu stoppen braucht es eine höhere Instanz (Richter, Führungskraft), die ein Urteil spricht oder die Konfliktgegner trennt.

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Dem Gegner wird mit allen Tricks ein Schaden zugefügt. Gegentreffer werden dabei in Kauf genommen. Als vermeintlich schwächere Partei kann jeder eigene Treffer als Erfolg verbucht werden.

Stufe 8: Zersplitterung

Die Vernichtungsschläge werden nun auf die Unterstützer des Gegners ausgeweitet. “Wer nicht für mich ist, ist gegen mich und wer gegen mich ist muss mit seiner Vernichtung rechnen”. Nun ist der Konflikt auch für das Umfeld zum Problem geworden, die gegnerischen Parteien zersplittern.

Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

Auf der untersten Stufe ist die eigene Vernichtung akzeptabel, wenn damit dem Gegner ein empfindlicher Schaden zugefügt werden kann.

Hinweise

Ich gehe davon aus, dass du nicht in Sozio-therapeutischer Prozessbegleitung ausgebildet bist, daher solltest du Konflikte nicht in die oberen Phase eskalieren lassen.

Folgende Verhaltensweisen helfen ganz konkret:

  • Übt regelmäßig Störungen auszusprechen. Wenn alle Teammitglieder auf eigene Störungen achten, dann werden Konflikte unwahrscheinlicher.
  • Höre auch deinen Bauch: geht es wirklich noch um die beste Sachlösung? Wenn offensichtlich noch mehr hinter einer Debatte steckt, dann sprich den Konflikt an. Oft ist den beiden Konfliktpartnern selbst nicht bewußt, dass sie gerade einen Konflikt starten.
  • Verlangsame den Konflikt, indem du den Stand der Debatte zusammenfasst: die beiden Positionen und die wesentlichen Argumente. Frage dann: “Offensichtlich spricht etwas gegen beide Lösungen: wie sieht die dritte Lösung aus?”. Das soll die beiden Konfliktpartner dazu bringen eine konstruktive Lösung zu suchen, statt sich in ihren Positionen immer weiter zu vergraben.
  • Sorge dafür, dass Konflikte im gesamten Team geklärt werden und keine “Mehrheisbeschaffung” im Untergrund stattfindet. Biete dafür regelmäßig einen Termin an, in dem das Team alle möglichen Spannungen ansprechen und auflösen kann.
  • Teammitglieder sollten üben sich nicht in Konflikte anderer hineinziehen zu lassen (Stufe 4).
  • Ermuntere alle Teammitglieder für ein hohes Niveau bei Diskussionen zu sorgen. Das gelingt, wenn jeder auf Polemik, Scheinargumenten und Ursachen-Wirkungs-Umkehr achtet und diese nicht akzeptiert und im Raum stehen lässt.
  • Achte auf typische Signale von Stufe 3: ist die Auseinandersetzung noch rein verbal? Wenn es Signale gibt, dass Taten statt Argumente eingesetzt werden, dann sollte die Sachfrage abgebrochen werden – eine Lösung ist ohnehin unwahrscheinlich geworden. Stattdessen kümmert euch um die Spannung im Beziehungsfeld (siehe spannungsbasiertes Arbeiten).

Quellen

Glasl, F. Konfliktmanagement: Diagnose und Behandlung von Konflikten in Organisationen. Organisationsentwicklung in der Praxis 2. Bern ; Stuttgart: Haupt, 1980.

Kurzbeschreibung in der Wikipedia

Schöne Erklärung auf YouTube:

Fragen und Kommentare

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